Haben Sie auch das Gefühl, dass augenblicklich alle über Change reden? Gefühlt bekomme ich jeden Tag zwei Newsletter und einen Event-Hinweis zu diesem Thema. Dabei fällt mir auf: Jede und Jeder meint etwas anderes. Die einen reden über psychologische Sicherheit in Teammeetings, die anderen über das Abbauen von Silodenken, die nächsten über eine Fusion und wieder andere über die Einführung einer neuen Software. Und nebenbei gibt es auch immer wieder neue Wortschöpfungen.
Meine neueste Entdeckung: Workation – ein Kofferwort auf Working und Vacation. Anscheinend relevant für alle, die angesichts der Pandemie und ausgestattet mit dem nötigen Kleingeld lieber von den Malediven aus arbeiten möchten.
OK, Home-Office ist sicherlich für uns alle ein Thema. Aber bleiben wir doch bitte realistisch: Für die meisten geht es nicht um den mehrmonatigen Aufenthalt im Ausland, sondern um das Vermeiden gesundheitlicher Risiken, die tägliche Arbeit per Videokonferenz und ein neues Erleben von Teamzusammenhalt beziehungsweise Führungsarbeit.
Kommunikation ein wichtiger, aber nur ein Faktor
Worum geht es also, wenn wir über Change, oder vielleicht doch besser über Veränderung, reden? Wir von Eckart & Partner fragen als erstes: Was genau wollen Sie erreichen und wann sind Sie erfolgreich? Ihren Kotter haben Sie sicherlich gelesen und kennen seine 8 Schritte zum Change-Erfolg. Doch wo wollen Sie konkret ansetzen? Worum geht es in Ihrem Fall?
Als Kommunikatorin fällt es mir schwer es zuzugeben, aber es stimmt: In den meisten Change-Prozessen ist Kommunikation ein wichtiger Faktor, aber eben auch nur einer. Manchmal liegt das Problem woanders.
„In den meisten Change-Prozessen ist Kommunikation ein wichtiger Faktor, aber eben auch nur einer. Es gibt 9 weitere Knackpunkte, an denen ein Veränderungsprozess scheitern kann.“
In seinem Buch „Big Change, Best Path“ beschreibt Warren Parry, Managing Director bei Accenture Strategy, 10 Knackpunkte, an denen ein Veränderungsprozess scheitern kann.
- Vision und Richtung – Haben alle Mitarbeiter:innen und Führungskräfte wirklich das gleiche Bild von der Zukunft des Unternehmens? Haben sie die Vision und die dahinterstehende Idee verstanden? Sind sie einverstanden damit und vertrauen sie dem Führungsteam? Und leiten alle daraus ab, dass sich etwas ändern muss?
- Kommunikation – Wunderbar! Auch Accenture nennt „Kommunikation“ als wichtigen Erfolgsfaktor und das schon auf Position 2 der Liste. Das freut mich natürlich. Konkrete Fragen sind: Bekommen alle die Information, die sie für den Wandel brauchen? Welche Botschaften werden über welchen Kanal verbreitet und geschieht dies effektiv?
- Unternehmensführung – Warren Parry schreibt „business leadership“ und fragt nach der Qualität von Führung und Management. Sind die Führungskräfte selbst lernbereit und flexibel? Sind sie bereit und in der Lage, taktische und strategische Fragen schnell zu beantworten und entsprechend zu handeln? Sie müssen den Change-Prozess managen. Wollen und können sie das? Haben sie „das Zeug“ – und die Zeit – dazu?
- Mitarbeiterführung – im Original „team leadership“. Hier geht es um alle Vorgesetzten, um jede und jeden einzelnen. Wie führt sie oder er das jeweilige Team? Mobilisiert und fördert er oder sie Bereitschaft und Motivation? Vertraut er oder sie dem Team? Erkennt, nutzt und honoriert er oder sie alle Talente und Beiträge der Mitarbeiter:innen?
- Systeme und Prozesse – auch mit größtem Team-Spirit, starken Führungspersonen und perfekter interner Kommunikation gelingt der Wandel nur, wenn die notwendigen Systeme und Prozesse zur Verfügung stehen. Manchmal müssen sie erst noch implementiert werden. Und dann ist es eben auch das, woran Sie arbeiten müssen.
- Kompetenzen und Personal – Haben Sie die richtigen Leute an Board und arbeiten diese in den passenden Positionen? Verfügen diese Personen über die notwendigen Fähigkeiten und Kenntnisse, um ihre jetzige und künftige Rolle effektiv zu erfüllen?
- Teamwork – Arbeiten die Menschen effektiv zusammen? Wird es ihnen ermöglicht? Sind sie gewohnt, im Team zum Erfolg beizutragen oder arbeiten sie sonst, bei ihren übrigen Aufgaben, allein? Fühlen sie sich jetzt als Teil des Teams, das Veränderung initiiert, plant und implementiert?
- Verantwortlichkeit – Warren Parry fragt hier nach drei Faktoren. Ist die Rolle eines jeden Einzelnen klar? Haben Teams klare und messbare Ziel? Und wie wird der Beitrag einzelner Mitarbeiter:innen im Team bemessen?
- Leidenschaft und Tatkraft – im Geschäftskontext schrecke ich vor Worten wie Leidenschaft (passion) ein wenig zurück, doch muss ich auch anerkennen: Es geht um positive Gefühle und echtes Engagement. Ihr Change-Prozess profitiert von Begeisterung und Zuversicht der Mitarbeiter:innen. Wie steht es bei Ihnen um diese, den Prozess tragende Stimmung?
- Ängste und Frustration – das Gegenstück zu Punkt 9 und doch ein eigener Faktor. Welche negativen Gefühle und Reaktionen kommen im Laufe des Wandels zu Tage? Angst ist nie hilfreich. Anders ist es bei Frustration. Sie kann bis zu einem gewissen Grad den Willen zur Veränderung sogar antreiben. Doch wird sie zu groß, wirkt sie lähmend. Beobachten Sie auf jeden Fall, ob einige Team-Mitglieder womöglich bereits den Absprung planen oder ob Gerüchte die Stimmung so stark beeinflussen, dass sie den Prozess behindern.
Welcher Punkt beschäftigt Sie?
Welcher Knackpunkt macht Ihnen in Ihrem Unternehmen zu schaffen? Sind es einer oder mehrere? Lassen Sie uns über greifbare Aufgaben reden und benennen wir den Wandel konkret.
Und gönnen Sie sich ab und zu ein Schmunzeln, wenn mal wieder zu viele Buzz-Words fallen: Future Work, Change, Paradoxes of leadership; transformative Zeiten bedürfen transformativer Führung; Leadership Ownership führt zu Employee Ownership; you name it.