Begeisterung und Ernüchterung gehören eng zusammen – das zeigt sich bei Wahlen ebenso wie bei Anschaffungen. Umso mehr, wenn einem zuvor das Blaue vom Himmel versprochen wurde! Wie im Energiemarkt, wo auf der Nachfrageseite gerade ein neues Geschäftsmodell entsteht.
Laufend optimiert sparen
Als konsequente Weiterentwicklung der Vergleichsportale sollen die Kunden die Strom- und Gaspreise nun nicht mehr selbst vergleichen und die für sie günstigsten Tarife auswählen müssen. Sie übergeben diese Aufgabe an einen Wechselassistenten. Der übernimmt das automatisiert und optimiert die Verträge laufend – ganz ohne Aufwand für die Kunden.
„Provisionen für die Autopiloten treiben das Wechselkarussell an – auch bei geringen Preisvorteilen!“
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Beim Portalbetreiber Verivox macht das für eine geringe Jahresgebühr der Dienst Verivox Prime für Strom, Gas, DSL und Kfz-Versicherungen. Ein persönlicher Berater unterbreitet dabei telefonisch Vorschläge, wickelt den Wechsel ab und meldet sich zum nächsten Wechselzeitpunkt wieder. Noch eins drauf setzt das Berliner Startup switchup: Es bietet den Service für Strom automatisiert per „Autopilot“ sogar kostenlos. Beiden Diensten gleich ist, dass die Unternehmen als Makler bei jedem Wechsel von der Provision des gewählten Anbieters profitieren.
Eine Frage des Vertrauens
Damit ist man bei einem Punkt, den Kritiker oft bemängeln: Wenn es den Unternehmen bei ihrem „Rundum-Sorglos-Paket“ beziehungsweise „Rundum-Kümmer-Service“ um Provisionen geht, dürften sie Wechsel eher öfter vorschlagen als seltener – auch bei einem geringen Preisvorteil für den Kunden. Außerdem werden Anbieter, die keine oder weniger Provisionen zahlen, dann kaum vorkommen. Diesem Verdacht bauen beide Anbieter vor, versprechen vorsorglich einen ehrlichen Vergleich und verweisen auf den Nutzen für die Kunden. Sie wissen, das Ganze ist letztlich eine Frage des Vertrauens. Letzteres kann man haben oder nicht!
Falscher Ansatz mit Folgen
Viel eindeutiger als die Frage der Provisionen ist die schädliche Wirkung der Fokussierung auf den Preis. Dabei ist es ganz egal, ob diese nun hin und wieder oder permanent passiert. Bereits in meinem Blogbeitrag Fatale Portale habe ich darauf verwiesen, wie damit der verkehrte Eindruck erzeugt und transportiert wird, eine ähnliche Leistung sei per Vergleich und kluger Auswahl deutlich billiger zu haben. Leistung hat immer ihren Preis. Die Überbetonung des Preises, das Preisdumping, kann dazu führen, dass viele Unternehmen nicht mehr wirtschaftlich arbeiten, Service schrittweise verschwindet und auch weniger in neue Produkte und Dienstleistungen investiert wird. Wenn es allein darum geht, dass sich unter dem Diktat des Schnäppchens immer das Billigste durchsetzt, wird das Leben freudlos – für Unternehmen wie für Verbraucher!
„Preisdumping per Autopilot macht das Leben freudlos – für Unternehmen und Verbraucher!“
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Der Traum vom Perpetuum mobile
Klar, die neuen Angebote der permanenten Preisoptimierung hören sich an wie die innigsten Wünsche eines jeden Schnäppchenjägers: Das Ganze einmal auf die Schiene gesetzt, kann man automatisch immer am meisten für sich herausholen und dem Markt eins auswischen! Leider gehören auch hier Begeisterung und Ernüchterung eng zusammen. In diesem Fall die Begeisterung darüber, immer etwas zu sparen und die Ernüchterung, nie mehr als die preisoptimierte Leistung zu bekommen, die man bezahlt hat.
Geiz ist nicht geil
Ganz ohne Aufpreis gibt’s dann noch die Erkenntnis oben drauf, dass es auf der Welt nichts umsonst gibt! Geiz ist eben nicht geil – und Qualität und gute Leistung bekommt nur, wer seine Sparstümpfe zu Hause lässt, den Geizkragen ablegt und gute Leistung fair bezahlt!
„Local Identity wird wichtiger als Corporate Identity“, so lautet das Credo von Frank Trurnit, Geschäftsführer der trurnit Gruppe. Seit 1987 leitet er das Unternehmen, das heute für kunden- und themenzentrierte Kommunikation steht. Seine Schwerpunkte: Nachhaltigkeit, Smart City, Mobilität, Digitalisierung, Change.