Wie man in Zeiten der digitalen Transformation Kunden begeistert | trurnit Blog

Wie man in Zeiten der digitalen Transformation Kunden begeistert

Anne M. Schüller ist eine anerkannte Expertin für kundenorientierte Unternehmensführung und Touchpoint Management. Kürzlich erschien ihr neues Buch „Touch. Point. Sieg.“ Wir haben sie gefragt, wie die Digitalisierung das Verhältnis zwischen Unternehmen und Kunden verändert.

Frau Schüller, in Ihrem Buch „Touch. Point. Sieg.“ behaupten Sie, dass die digitale Transformation die Kundenkommunikation radikal verändert. Was ist heute anders als vor zehn Jahren?

Schüller: Die digitale Transformation, die uns mit einer irre hohen Veränderungsgeschwindigkeit überfällt, gibt der Kommunikation gerade ein völlig neues Gesicht. Wir reden mit Bits und Bytes, die Siri oder Cortana oder Alexa heißen. Und sobald sie ein wenig trainiert sind, antworten unsere digitalen Assistenten vernünftig, höflich und brav. Auch mit Robotern führen wir schon längst Zwiegespräche. Digitalisierte Maschinen geben uns nicht nur Informationen, sondern auch Befehle. Früher hat sich das schlechte Gewissen bei uns gemeldet, heute tun dies Selftracking-Armbänder und Apps. Maschinen reden mit Handys – und Sensoren mit allem, was Sensoren hat. Algorithmen hören uns zu, sie verstehen uns, machen daraus Big Data, um uns dann mit dem zu versorgen, was uns, wie sie meinen, gefällt. Via Datenbrille oder Videotechnik konferieren wir mit Geschäftspartnern am anderen Ende der Welt.

„Die digitale Transformation ist irre schnell und gibt der Kommunikation ein völlig neues Gesicht“

Gibt es auch Konstanten? Was ist heute noch genauso wie vor zehn Jahren?

Schüller: Naja, manchmal unterhalten wir uns auch ganz normal: bei einem zwanglosen Plausch im Café um die Ecke, bei einem romantischen Stelldichein oder aber in endlosen Meetings, die bald niemand mehr mag. Der totale Wandel, die Disruption in der Kommunikation sozusagen, ist 2007 mit dem Smartphone gekommen. Und wenn sie die jungen Leute fragen: Die kommunizieren damit auf die unterschiedlichste Weise, nur telefonieren tun sie nicht mehr. Doch die Internet-Gemeinde, vor allem im Silicon Valley hat längst auch erkannt: Inspiration entsteht durch unkomplizierte Austauschmöglichkeiten. Und gegenseitige Befruchtung braucht räumliche Nähe. Jeder Gedanke wird schärfer und jeder Arbeitsschritt klüger, wenn man das mit anderen teilt. Deshalb sucht die Gründergeneration ganz gezielt auch das reale Gespräch. Das größte Großraumbüro der Welt hat übrigens Facebook.

Digitalisierung kennt viele Schlagwörter: Big Data, Automatisierung, Internet der Dinge. Welche Rolle spielt in dieser schönen neuen Welt der Analysen und Algorithmen der Mensch?

Schüller: Die zunehmende Technologisierung beinhaltet in der Tat eine große Gefahr: dass nämlich überall dort, wo Technokraten das Sagen haben und Zahlenmenschen regieren, die Menschlichkeit auf der Strecke bleibt. Doch Menschen sind kein Klickvieh. Sie sind auch keine Datenpakete. Und kein bürokratischer Vorgang. Sie wollen schon gar nicht gemanagt werden. Die Qualität einer privaten Beziehung lässt sich ja auch nicht an der Anzahl verschenkter Rosen messen. Menschlichkeit äußert sich in Emotionalität und in Sinnlichkeit. Sie zeigt der kalten Technik ein heiteres Gesicht. So finden die wahren kommunikativen Erfolge jenseits von Analytics und Algorithmen statt. Gewinnen wird in Zukunft vor allem der, der fundierte Daten mit profunder Menschenkenntnis zu koppeln versteht.

Sie sagen, die Digitalisierung verändere alle Lebensbereiche. Was bedeutet dies für die Rolle der Mitarbeiter in den Unternehmen?

Schüller: Insbesondere für die Arbeitswelt gilt: Alles was automatisiert werden kann, wird automatisiert. Natürlich wird das Arbeitsplätze schlucken, das war bei jedem Technologiesprung auch in der Vergangenheit so. Doch es werden auch neue Jobs entstehen, die zum Teil heute noch nicht einmal vorstellbar sind. Im Vergleich zu Robotern können Menschen vor allem mit Humor, Fantasie, Empathie und Instinkten sowie mit Kreativität, gesundem Menschenverstand, dem Erfassen von Kontext, dem adaptiven Bewältigen vielfältiger Aufgaben, mit Fingerfertigkeit, Verhandlungsgeschick und dem vernetzten Einsatz der Sinne punkten. Wer darin gut ist, sich ständig weiterentwickelt und für Routinen auf die Hilfe intelligenter Maschinen setzt, der ist im Digitalzeitalter vorn.

„Bevor Unternehmen mit der Durchdigitalisierung beginnen, müssen sie deutlich agiler werden“

Was raten Sie Unternehmen, die sich für die Digitalisierung „fit“ machen wollen, als Erstes anzupacken?

Schüller: Das ist natürlich von Unternehmen zu Unternehmen verschieden und hängt auch von der jeweiligen Branche ab. Für die meisten etablierten Organisationen kann ich wohl sagen: Bevor man mit der Durchdigitalisierung beginnt, ist zunächst eine zügige Transformation in einen agileren Zustand vonnöten. Das bedeutet: Alles, was eine Organisation langsam macht, muss weg. Und alles, was sie schnell macht, muss her. Zunächst muss also die Schnelligkeitslücke geschlossen werden. 50 Prozent weniger Bürokratie, Administration, Hierarchie, Reportings, Kennzahlensysteme und so weiter sind dabei eine vernünftige Zielzahl. Und gleich diesen Herbst, wenn die üblichen Budgetmarathons wieder anstehen, sollte man damit beginnen.

„Touch. Point. Sieg“: Wann waren Sie persönlich zuletzt von einem Unternehmen begeistert und warum?

Schüller: Das hat gerade heute mein Reisebüro, Gillerreisen in München, geschafft. Ich hatte sehr kurzfristig eine Rundreise nach Island gebucht und keine Zeit mehr gehabt, mir einen Reiseführer zu kaufen. Ohne dass ich gefragt habe, hat meine Ansprechpartnerin dafür gesorgt, dass mir der Veranstalter einen zusammen mit den Reiseunterlagen schickt. Ist vielleicht ein Detail, aber man hat für mich mitgedacht und sich um mich gekümmert, das ist es, was zählt. Loyalität und Empfehlungsbereitschaft kommen dann wie von selbst.

Frau Schüller, vielen Dank für das Interview!

Touch.Point.Sieg. Kommunikation in Zeiten der digitalen Transformation, Gabal Verlag 2016, 380 Seiten, gebunden, 29,90 Euro, ISBN: 978-3-86936-694-4. Erhältlich in allen guten Buchhandlungen oder bei Amazon.

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