Digital Brain (Teil 1): Wenn neue Technologien auf ein altes Gehirn treffen | trurnit Blog

Digital Brain (Teil 1): Wenn neue Technologien auf ein altes Gehirn treffen

Das menschliches Hirn als neuronales Netz.

Die digitalen Medien haben sich in den letzten Jahren explosionsartig entwickelt. Viele Marketingverantwortliche glauben, dass sich mit der technischen Entwicklung auch unser Gehirn in der gleichen Geschwindigkeit verändert habe. Das ist ein Irrtum.

Unser Gehirn ist seit vielen tausend Jahren das Gleiche. Neue digitale Technologien treffen also auf ein uraltes Hirn. Erfolg im digitalen Markt haben deshalb die, die zum einen die neuen Technologien kennen und beherrschen, die aber zum anderen wissen, wie das Kundengehirn wirklich funktioniert.

Die digitale Welt aus Sicht des Gehirns

Marketing im Web, so glaubt man, folgt völlig neuen und eigenen Gesetzen. Der Web-User sei ein völlig anderer Mensch als der, den wir im realen Leben treffen. Dabei wird übersehen, dass zwar die Technik in Sieben-Meilen-Stiefeln fortschreitet, unser Gehirn mit seinen Emotionsprogrammen und Grundbedürfnissen aber dasselbe bleibt. Was sich dramatisch verändert, ist die Geschwindigkeit und die Intensität, wie diese Bedürfnisse erfüllt werden.

Erfolg im digitalen Markt haben jene, die die neuen digitalen Technologien beherrschen und zugleich wissen, wie das Kundengehirn funktioniert.

Digital: der Turbo fürs Belohnungs-Erwartungssystem

Unsere Emotionssysteme werden auf der lustvollen Seite von einem Belohnungs-Erwartungssystem angefeuert. Dieses Belohnungs-Erwartungssystem kennt nur ein Ziel: Immer mehr, immer schneller. Das emotionale Neugier-System möchte möglichst viele Neuigkeiten und das Macht-System will schnell zum Ziel. Genau das ist es, was die digitale Welt bietet. Mehr Neues und mit einem Klick zum Ziel. Es reicht aus, einem Nutzer ein Smartphone oder ein Tablet in die Hand zu drücken: Schon nimmt das Belohnungs-Erwartungssystem unbewusst Fahrt auf – fast wie bei einem Drogensüchtigen. Aus dem Unbewussten dringt der Befehl ins Bewusstsein: Ich brauche schnell Belohnung. Bleiben wir im Gehirn und schauen uns einige weitere alte Eigenheiten des Gehirns an, deren Kenntnis auch in der digitalen Welt erfolgsentscheidend ist. Ich beschränke mich hier auf den wichtigsten digitalen Kontaktpunkt eines Unternehmens, auf die Website.

Auch im Web gilt: Der erste Eindruck zählt!

Der Informationsprozess beginnt sofort mit dem Anklicken und Öffnen der Startseite. Die Grundanmutung feuert wichtige unbewusste Signale an das Konsumentenhirn und prägt den ersten Eindruck. Die Münsteraner Psychologen Rafael Jaron und Meinald Thielsch haben diesen Effekt untersucht und festgestellt, dass dieser Eindruck nicht nur darüber mitentscheidet, ob der Kunde auf der Website bleibt; er hat auch erheblichen Einfluss auf sein gesamtes späteres Informations- und Kaufverhalten!

Emotional und Cognitive Load

Bei diesem ersten Eindruck werden zwei teilweise getrennt operierende Verarbeitungssysteme im Gehirn angesprochen: Das emotionale System, das den emotionalen Gesamteindruck bewertet und das kognitive System, das sich mit der Informationsflut und Informationsdichte beschäftigt. Aus Sicht des Gehirns geht es also darum, den emotionalen Eindruck (= Emotional Load) zu erhöhen und die Komplexität und Informationsüberlastung (= Cognitive Load) zu reduzieren. Auch der Cognitive Load wirkt sich unmittelbar auf die emotionale Stimmung und damit auf die Informations- und Kaufbereitschaft des Kunden aus. Alles, was „einfach“ ist, aktiviert das Belohungssystem und die Stimmung des Kunden hellt sich auf. Bei allem, was „kompliziert“ ist, geht die Stimmung in den Keller. In guter Stimmung nimmt der Kunde mehr Information auf und ist kaufbereiter; in schlechter Stimmung geschieht das Gegenteil. Deswegen ist es wichtig, sich bei der Gestaltung von Landingpages große Mühe zu geben! Natürlich geht es darum, Landingpages zu emotionalisieren und zu vereinfachen; aber die Umsetzung dieser Pflicht ist erst der halbe Weg zum Erfolg.

Komplexität verursacht schlechte Laune im Gehirn. Wer verkaufen will, muss es seinen Kunden also möglichst einfach machen.

User Experience und Usability

Die Attraktivität einer Website ist nicht nur abhängig von ihrem Inhalt, sondern auch von ihrer Benutzerfreundlichkeit. In der Fachsprache spricht man von „User Experience = UX“ und „Usability“. Beide Begriffe werden oft synonym verwendet, obwohl sie inhaltlich unterschiedlich sind. UX bezeichnet das gesamte Erlebnis und die Erfahrung, die ein Nutzer beim Besuch einer Website hat. Darin enthalten sind das grafische Design, die Animationen und die Bedienungsfreundlichkeit. Letztere ist das, was man als Usability bezeichnet. Usability ist also ein Teil der UX. Wir wollen uns jetzt mit hirngerechter Usability beschäftigen, wobei einige Aspekte auch die User Experience allgemein betreffen. Schauen wir uns einen Webauftritt aus Sicht des emotionalen Gehirns und seinen Erwartungen an.

Happy-, Easy-, Care-, Trust-, Power- und Autonomy-Web

Besonders erfolgreich werden Anbieter sein, die es verstehen, die innovativen Möglichkeiten der digitalen Welt konsequent mit den Erwartungen und Wünschen des (alten) Kundenhirns zu verknüpfen. Welche Ur-Bedürfnisse unser Gehirn hat und wie eine Website beschaffen sein muss, um darauf die passenden Antworten zu liefern, erfahren Sie in Teil 2 meines Artikels.

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