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Framing: Sprache bestimmt unser Handeln

Framing - die Macht der Worte

Wie mächtig Sprache ist, hat die Sprachwissenschaftlerin Elisabeth Wehling am eigenen Leib zu spüren bekommen. Die Presse tritt seit ein paar Wochen Ausdrücke wie „medienkapitalistische Heuschrecken“ breit, die die Sprachberaterin Wehling der ARD als Kampfbegriff gegenüber privaten TV-Sendern an die Hand gegeben haben soll.

Die Macht der Worte

Dabei kennt die Linguistin die Wirkkraft von Worten nur allzu gut. In ihrem Buch „Politisches Framing“ beschreibt sie einen Test: Eine Gruppe bekam einen Text mit Worten wie „alt“, „sentimental“, „grau“, „vergesslich“, „Rente“ und „faltig“ – also mit Begriffen, die mit Alter, aber nichts mit Geschwindigkeit zu tun hatten. Eine andere Gruppe las einen neutralen Text. Anschließend sagte man den Teilnehmern, das Experiment sei abgeschlossen – obwohl es eigentlich genau in diesem Moment erst richtig begann. Denn die Teilnehmer mussten einen Korridor entlang zum Fahrstuhl gehen. Die, die den Text mit den Altersbegriffen gelesen hatten, brauchten deutlich länger zum Lift, bewegten sich langsamer und zögerlicher als die mit dem neutralen Text. Mit anderen Worten: Der Text über das Alter aktivierte die Vorstellung von „Langsamkeit“, die sich nach der Lektüre direkt auf die Bewegung der Teilnehmer niederschlug.

Bedeutung entsteht im Verhältnis zu unserem gespeicherten Wissen über die Welt

Linguisten nennen das Framing. Frames sind gedankliche Deutungsrahmen, die durch Sprache in unserem Gehirn aktiviert werden. Sie verleihen Informationen eine Bedeutung, indem sie sie einordnen – und zwar bezogen auf die Erfahrungen unseres Körpers und unser Wissen über die Welt. Sprache beeinflusst also direkt unsere Handlungen. Wenn Sie das Wort „langsam“ lesen, verlangsamen sich automatisch Ihre Bewegungen. Wenn Sie über „gestern“ sprechen, lehnen Sie sich unwillkürlich zurück – einfach, weil Sie mit Zeit eine räumliche Vorstellung verknüpfen und gestern eben „weiter hinten“, also weiter zurück liegt. Und es gibt noch viele weitere Beispiele, die die Verbindung von Worten und Handeln zeigen.

Gender-Debatte und Sprache: Mit ein bisschen Fantasie kann man geschlechtergerechter formulieren. Das reicht schon für ein Framing, das eine gleichberechtigte Realität in gleichberechtigter Sprache spiegelt. #trurnitBlog @trurnitGruppe http://trurn.it/dA94

Auch für Gleichberechtigung gibt es Frames

Genauso sehen das im Übrigen all die, die sich für geschlechtergerechte Sprache einsetzen – ebenfalls ein Dauerbrennerthema in der Medienlandschaft der letzten Tage. Während immer mehr Städte und Gemeinden sogar Broschüren zur einer „gendergerechten“ Sprache veröffentlichen, wetterte ausgerechnet am Weltfrauentag der Verein Deutscher Sprache über den „Gender-Unfug“. Doch ist gerechte Sprache wirklich Unfug?

Wenn gerechte Sprache Unfug ist, ist auch eine gerechte Gesellschaft Unfug

Mitarbeiter_innen, Mitarbeiter*innen, MitarbeiterInnen, Mitarbeiter/innen, Mitarbeiter(in) – schön finde ich das alles nicht. Aber reicht es, sich einfach auf das „generische Maskulin“ zurückzuziehen? „Wenn im Magazin von Kunden, Mitarbeitern oder sonstigen Personen die Rede ist, sind in allen Fällen gleichermaßen weibliche und männliche gemeint.“ Echt jetzt? Denken Sie bei dem Satz „Unser Techniker liest Ihren Zähler ab.“ an eine Frau? Oder bei dem Satz „Unsere Technikerin liest Ihren Zähler ab.“ an einen Mann?

Geschlechtergerecht formulieren – geht mit ganz einfachen Mitteln

Machen wir es uns nicht zu einfach. Sprache ist mächtig. Und mit ein bisschen Fantasie gelingt es uns, wenigstens ein bisschen geschlechtergerechter zu formulieren. Dann nehmen wir uns eben einmal die Zeit – und den Platz – über „Kundinnen und Kunden“ zu schreiben. Aus „Jeder, der …“ wird eben ein „Alle, die…“. Und wenn der „Ansprechpartner“ Lisa Meier heißt, dann ist es eben auch eine „Ansprechpartnerin“. Das geht – wenn wir wollen.

Meiner Meinung nach reicht das schon aus für ein Framing, das eine gleichberechtigte Realität in einer gleichberechtigten Sprache spiegelt und umgekehrt.

Wer Unterstrich, Stern und Co nicht verwenden will, ist für mich nicht automatisch ein Gegner der Gleichberechtigung. Gleichzeitig habe ich für den Frame, den die Freiburger setzen, viel Sympathie. Die Broschüre der Stadt zur geschlechtergerechten Sprache hat den Slogan:
Freiburger_innen – Denn unter dem Strich zählen wir!

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